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Mein Jahresrückblick 2020

05. Oktober 2021

Eigentlich hatte ich für den Oktober 2020 ein Fest geplant: 10 Jahre ist es her, seit ich mich als Psychologin für Mütter selbstständig gemacht habe. Das wollte ich gebührend feiern, mit allen Wegbegleitern, mit meinen Klientinnen und Patientinnen, mit Verwandten und Freunden. Doch das Jahr 2020 hatte andere Pläne....

Die Party hat nicht stattgefunden, und wenn ich heute darüber nachdenke, erscheint mir dieses Vorhaben Lichtjahre weit entfernt. Ob das im nächsten Jahr realistisch ist? Und eine Party mit Abstand und Maske feiern? Vielleicht doch besser noch kein Datum festlegen, sicher ist sicher…

Anders als ich es gewohnt bin, stehen in meinem Kalender fürs nächste Jahr ohnehin noch nicht viele Termine fest. Flexibel bleiben ist die Devise, immer auch den Plan B einplanen, und vielleicht noch einen Plan C… Diese Art der Flexibilität ist zwar im Rahmen einer beruflichen Selbstständigkeit nicht die schlechteste Idee. Doch als Psychologin und Coach weiß ich auch, wie entscheidend es ist, seine Energien zu bündeln. Vorfreude ist ein wichtiger Motor, der unsere Vorhaben unterstützen kann. Doch wie soll das funktionieren, wenn hinter jedem Plan ein Fragezeichen steht?

Mütter im Härtetest

Überhaupt, dieser Plan B-Modus. Für uns Mütter ist der Umgang mit Unwägbarkeiten ja schmerzhafte Realität, und das nicht erst seit der Pandemie. Der Mittagsschlaf ist ausgefallen? Das Kind hat erhöhte Temperatur? Die Kita muss schließen? Die Schulunterricht endet früher wegen einer Konferenz?

Das Managen des Familienalltags mit all seinen Widrigkeiten kostet Kraft; die Belastungen durch unbezahlte Care-Arbeit werden überwiegend von den Frauen getragen. Begriffe wie „Mental Load“ und „Systemrelevanz“ haben durch Corona stärkere Beachtung erfahren. Auch in meinen Coachings drehte sich in diesem Jahr vieles um die Frage, wie es gelingen kann, das eigene Ich als Mutter in diesen unruhigen Zeiten nicht aus dem Blick zu verlieren.

Ich bin vom selben Stern

Anders als sonst gab es für mich dabei eine ungewohnte Komponente: Der Umgang mit der Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen hat mich ja auch persönlich betroffen. Als im März die Geschäfte, die Cafés und Bibliotheken schließen mussten, rot-weißes Absperrband um die Kinderspielplätze gespannt und die Straßen in der Kölner Südstadt gespenstisch leer waren, war ich vor allem eines: unfassbar traurig.

Mir war klar: Das ist etwas Altes, ein altes Gefühl von Traurigkeit in mir, das durch die aktuellen Geschehnisse berührt wird. Ich habe meine Praxis geschlossen und die Trauer mit mir herumgetragen. Und ich habe das getan, was ich auch den Frauen in meiner Arbeit rate, die einen schmerzhaften Verlust erlitten haben: Ich habe mich mit Wärme und Geborgenheit versorgt. Abends habe ich mir regelmäßig eine warme Badewanne eingelassen. Ich bin mit einem Stofftier im Arm und einer Wärmflasche an den Füßen ins Bett gegangen. Vor dem Zubettgehen habe ich leichte, herzerwärmende Romane anstelle von Krimis oder Fachbüchern gelesen. Ich habe das alte Ritual wiederaufleben lassen, mir jeden Abend bewusst zu machen, wofür ich dankbar bin. Den Konsum von Nachrichtensendungen habe ich auf maximal eine Stunde pro Tag beschränkt.

Das Wichtigste war aber, dass ich mir erlaubt habe, traurig zu sein. Und dass ich dieses Gefühl mit den Menschen, die mir am nächsten stehen, teilen konnte. Mit meinem Mann habe ich Klartext gesprochen: „Ich brauche dich jetzt zum Anlehnen. Nimmst du mich bitte in den Arm?“ Er hat verstanden, und wir haben uns in diesen seltsamen Wochen im Frühjahr 2020 gegenseitig viel Halt gegeben.

Feste Vereinbarungen, wer an welchem Tag im Home Schooling für Tobias die neuesten Arbeitsblätter ausdruckt und wer das Mittagessen kocht, haben uns dabei enorm geholfen. Wir leben ja in einer relativ kleinen Dreizimmerwohnung, ohne separate Arbeitszimmer für die Erwachsenen. Wenn dann alle gleichzeitig zuhause sind und arbeiten müssen, braucht es verbindliche Absprachen. Dass wir als Team gut funktionieren, ist eine der wichtigen Erkenntnisse aus diesem denkwürdigen Jahr, für die ich dankbar bin.

Nähe trotz Abstand

Im Verlauf des Frühjahres hat sich meine Traurigkeit allmählich verabschiedet. Und sie hat Platz gemacht für einen Blick auf das, was in der Pandemie möglich ist: Was macht es mit uns, was macht es mit mir, wenn ich jemandem mit Maske begegne? Wie geht echter Kontakt mit Abstand? Wie kann ich Menschen erreichen, die durch die Auflagen der Pandemie verunsichert sind?  Was tut gut in Zeiten der Krise? Diese Fragen haben mich sowohl privat als auch beruflich sehr beschäftigt.

Rückblickend würde ich sagen: So viele Kontakte wie in diesem Frühjahr hatte ich lange nicht mehr. Ich habe mich für Telefonate verabredet, für Treffen online und für Spaziergänge auf Abstand. Das tat mir gut und hat mich mit Dankbarkeit erfüllt. So viele Menschen gibt es in meinem Leben, die mir etwas bedeuten, denen ich mich mitteilen kann!

Meine Workshops und die Gruppentreffen „Wenn Mama arbeitet“ habe ich abgesagt und auch keine Anstalten unternommen, sie in eine Online-Version zu übersetzen. Ich war online-müde, weil ich selbst so viel Zeit am Handy und Computer verbracht habe. Telefonate mit Patientinnen, private Videocalls mit der Familie und Freunden, Videokonferenzen mit den Kolleginnen aus der Frauenberatungsstelle in Neuss. Noch mehr Zeit am PC verbringen? Das hat nicht zu meinem Bedürfnis gepasst. Außerdem regte sich ein Widerstand in mir: Wozu habe ich denn ein körperorientiertes Therapieverfahren erlernt, wenn ich dann vor dem PC sitzen muss?

„Bieten Sie Ihre Beratung auch online an?“

Diese Frage habe ich im weiteren Jahresverlauf immer häufiger gehört. „Nein, das mache ich nicht.“ lautete meine Antwort, die sich zunehmend weniger stimmig anfühlte. Was, wenn die Pandemie doch noch länger dauern würde? Wenn ich vielleicht selbst irgendwann (ohne Krankheitssymptome!) in Quarantäne würde gehen müssen und nicht mehr für meine Patientinnen da sein könnte? Also doch eine Beratung per Video anbieten?

Als dann die Anfrage einer Agentur aus Hamburg eintraf, war das der richtige Impuls zum richtigen Zeitpunkt: Ab Januar 2021 werde ich mein Praxisangebot um eine videogestützte Beratung erweitern und diese deutschlandweit anbieten. Was das konkret bedeutet? Um mich persönlich zu einem Beratungsgespräch zu treffen, braucht niemand mehr in die Kölner Südstadt zu fahren. Nachdem wir telefonisch oder per Email einen Termin miteinander vereinbart haben, erhältst Du per Email einen Link zu meinem virtuellen Beratungsraum. Ich habe mich für einen zertifizierten Dienstleister entschieden, der auch von der kassenärztlichen Bundesvereinigung geprüft und zugelassen ist. Du brauchst dann nur noch einen stabilen Internetzugang, ein Handy bzw. Tablet oder einen PC mit Kamera und Mikrophon, und wir können starten.

Ein wichtiger Hinweis an dieser Stelle: Für therapeutische Gespräche ist es aus rechtlichen Gründen erforderlich, dass wir uns vor der ersten Online-Sitzung mindestens einmal persönlich in meiner Praxis gesehen haben. Eine reine Videoberatung ist daher kein Ersatz für eine Psychotherapie! Sie kann aber ein wichtiger erster Schritt sein, wenn Du Orientierung suchst und für Dich klären möchtest, ob Du möglicherweise eine weitergehende Unterstützung benötigst. Und auch Coachings können per Video stattfinden.

War sonst noch was?

Die Liste der Dinge, die 2020 für mich ausgemacht haben, ist lang. Ich habe Dinge getan, von denen ich früher nie gedacht hätte, dass ich sie einmal tun würde. Ich habe flache Steine mit bunten Stiften bemalt und auf Spazierwegen ausgelegt – und mich dabei ein wenig wie der Osterhase gefühlt. Ich habe Coffee to Go im Pappbecher auf Parkbänken getrunken und mit den Nachbarn auf den Stufen vorm Haus gesessen.  Ich bin viele Strecken zu Fuß gegangen, die ich sonst mit dem Bus zurückgelegt hätte. Und während ich all das getan habe, ist etwas Bedeutsames in mir geschehen: Ich habe noch besser verstanden, was ich wirklich brauche, um glücklich zu sein, und worauf ich gut verzichten kann. Und deshalb ist 2020 für mich auch und ganz besonders ein reiches, erfülltes Jahr gewesen. Und dafür bin ich dankbar.


Ich wünsche Dir einen guten Jahresabschluss und freue mich auf ein Wiedersehen, ein Wiederhören oder Wiederlesen in 2021!

Herzlichst,

Deine Britt